Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

Als Weihnachtsgeschenk eine Familie

Kaum einen Tierfreund hat es im Sommer kaltgelassen – das Schicksal von Rollikater Charles. Jetzt ist daraus eine herzerwärmende Weihnachtsgeschichte geworden. Mitgeschrieben haben viele daran.
In der Weihnachtszeit gehen Wünsche in Erfüllung, manchmal selbst solche, die man für beinahe unerreichbar gehalten hätte. Für den Meininger Tierschutzverein ist wenige Tage vor dem Fest ein solcher Herzenswunsch wahrgeworden. Er hat mit einem jungen Tigerkater zu tun, dessen dramatische Leidensgeschichte viele Menschen im Laufe dieses Jahres berührte, sodass sie helfen wollten. Wie er im Frühjahr da lag, um den Laternenmasten an der Leipziger Straße gekrümmt, und erst überhaupt nicht beachtet wurde nach einem Verkehrsunfall, ging vielen Tierfreunden sehr nahe. Das Rückenmark gequetscht, die Hinterbeine nicht mehr intakt, sahen die Aussichten des Samtpfötchens bei der Ankunft in der Tierarztpraxis zunächst gar nicht gut aus. Doch hatte er nicht wenigstens eine Chance verdient, der Jungkater mit den lebhaften hellgrünen Augen und dem bezaubernden Mauzstimmchen, das Steine erweicht?

Herausforderung angenommen
Als entschieden war, den erst ein bis zwei Jahre jungen Herzensbrecher trotz der üblen Prognose nicht aufzugeben, war den Meininger Tierschützern schon klar, dass dem Tierchen nicht ohne den Beistand vieler tierlieber Menschen zu helfen war. Die Obermaßfelder Tierarztpraxis beschaffte erst mal einen Rollator für Charles, den Unglücksraben. Und siehe da, das blitzgescheite Kerlchen begriff schnell, dass er damit wieder mobil sein kann und sauste durch die Praxisräume. Wie groß die Herausforderung für seine menschlichen Betreuer wirklich werden sollte, zeigte sich erst im Laufe der Wochen, nachdem Charles ins Tierheim Rohrer Berg umgezogen war. Denn der Kater brauchte nun eigentlich tägliche Physiotherapie, um Muskeln aufzubauen und seine Hinterbeine wieder koordiniert zu nutzen. Außerdem war seine Blase jetzt regelmäßig manuell zu entleeren, weil er das selbst nicht kontrolliert hinbekam. Schon bildeten sich Blasensteinchen, sodass er Spezialfutter bekommen musste.

Große Spendenaktion
Um ihn wieder auf die Beinchen zu bringen, startete der Meininger Tierschutzverein einen Spendenaufruf, der sogar überregional erhört wurde. Und dank des überwältigenden Spendenerfolgs konnten die Tierschützer Charles schließlich tatsächlich in der Physiotherapie-Praxis von Theresa Eckardt die notwendige Behandlung ermöglichen. Monate vergingen, die Fellnase zog quasi ein bei seiner Therapeutin. Trotz seines Handicaps verlor der Kater mit dem drolligen Silberblick in all dieser Zeit nie seine Lebensfreude, seinen Bewegungsdrang - und seinen Charme. Und dem erlag nun auch ein junges Meininger Paar.

Begegnung auf der Website
Zwar hatte der Tierschutzverein nichts unversucht gelassen, Charles und sein Schicksal bekannt zu machen, um Menschen zu finden, die der besondere Pflegebedarf des Unfallkaters nicht abschreckt. Doch das dauerte seine Zeit: Bis Josefine Ley und Martin Geißhirt den Burschen auf der Internetseite des Vereins entdeckten. „Sein Blick auf dem Foto auf der Website war einmalig. Sozusagen Liebe auf den ersten Blick. Dazu noch seine traurige Geschichte“, erinnern sich die beiden an den schicksalhaften Moment. „Nach dem ersten Kennenlernen konnten wir ihn nicht mehr vergessen.“

Einzug auf Probe
Am 9. November zog der Tiger mit den weißen „Söckchen“ auf Probe zu den beiden Katzenfreunden und ihren Stubentigern Corey und Billy. Spannende Wochen begannen, in denen die Physiotherapie im heimischen Umfeld fortgesetzt wurde. Unglaublich schnell hatten die Katzenfreunde Josefine und Martin zudem bei Charles‘ Blasenentleerung den Bogen raus.  Dann waren da noch die neuen vierbeinigen Kumpels. Anfangs vorsichtshalber getrennt durch eine Scheibe, reagierten alle drei Katzenmänner herrlich unverkrampft aufeinander und nach einem ausgiebigen Beschnuppern war die Sache auch schon erledigt. Charles darf sich mit großzügiger Duldung seiner neuen Freunde gern an all den rasselnden Bällchen und duftenden Baldriankissen bedienen. Sie spielen unbeschwert miteinander und haben dem Neuen längst bereitwillig einen Platz auf ihrer Couch eingeräumt. Billy gleicht Charles nicht nur optisch. Er teilte gern sein Futter mit dem Neuzugang, der übrigens auch jenseits der Mahlzeiten gesunden Appetit zeigt: Alles, was runterfällt, ist seins.
Die Sofa-Ecke in Heizungsnähe wurde Charles‘ Lieblingsplätzchen. Von da aus beobachtet er, wenn er gerade nicht döst, das Fernsehprogramm. Das Ofenkino in der Küche findet er aber genauso spannend. Ganz fasziniert sitzt er davor und schaut – im wahrsten Sinne – in die Röhre.

Immer mobiler
Allerdings nur in dieser Hinsicht. Denn alles in allem macht Charles täglich Fortschritte und wird immer mobiler. Man mag es kaum glauben: der gehandicapte Kater liebt es, Kumpel Billy zu jagen. Dank Therapie sind die kranken Beinchen jetzt viel aktiver. Auch wenn er damit noch(?) nicht wieder normal laufen kann, zappelt er permanent damit herum oder winkelt sie an und nutzt sie geschickt, um Hindernisse zu überwinden oder aufs Sofa hinaufzuklettern. In der Wohnung kommt er ganz ohne seinen Rollator aus. Der wird erst im Frühling bei Spaziergängen draußen auf der Wiese wieder zum Einsatz kommen. Jetzt, da es draußen kalt ist, genießt Charles die weihnachtliche Kuschelzeit auf der Couch. Bis er allabendlich in sein Bettchen gebracht wird, in ein eigenes Häuschen unterm Schreibtisch.

Angekommen
Charles‘ Probezeit endete nun wenige Tage vorm Weihnachtsfest. Natürlich hat der kleine Sonnenschein sie gut bestanden. „Als er dann noch mit unseren Katzen klargekommen ist,“ erzählt Josefine Ley, „konnten wir ihn endgültig nicht mehr hergeben.“ Seit dem dritten Adventssonntag gehört Charles nun ganz offiziell zu seiner neuen Meininger Familie.

Weitere Informationen

Veröffentlichung

Di, 24. Dezember 2024

Bild zur Meldung

Weitere Meldungen